Lösbare Herausforderung
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Lösbare Herausforderung

Praktische Tipps zur Implementierung kleinerer Quarzbauformen

Der Trend in der Elektronik geht weiterhin und unaufhaltsam zu immer kleineren und komplexeren Baugrößen. Für Entwickler und Einkäufer bedeutet dies Fluch und Segen zugleich. Einerseits ermöglicht die Miniaturisierung die praktische Implementierung umfangreicher batteriebetriebener Anwendungen, die trotz funktionsreicher Umgebung extrem wenig Energie erfordern - typische Anwendungsgebiete wären hier beispielsweise die Medizintechnik, IoT-Lösungen aber auch Wearables und viele andere - andererseits ist die Folge, dass die älteren und größeren Bauformen nach und nach vom Markt verdrängt werden und die Bauteilbeschaffung für viele ältere und meist größere Leiterplattendesigns zur wahren Herausforderung wird.

Deutlich zu erkennen sind die Probleme momentan bei Quarzen und Oszillatoren in den mittlerweile in die Jahre gekommenen größeren SMD-Bauformen 7.0x5.0mm, 6.0x3.5mm und 5.0x3.2mm. Teilweise sind sie auf Allokation oder haben enorme Lieferzeiten von über einem Jahr. Einige Hersteller, vor allem diejenigen ohne eigene Fertigung (sog. Private Label), haben die Quarze und Oszillatoren in großen Bauformen gleich ganz abgekündigt. Hauptursache hierfür sind die Gehäusezulieferer, die natürlich eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Lieferkette spielen und derzeit, bedingt durch die turbulenten letzten Jahre mit wiederkehrenden Lockdowns etc., bei maximaler Auslastung arbeiten, um die entstandenen Produktionsausfälle wieder aufzuholen. Dabei sind sie aber vor allem daran interessiert, der starken Nachfrage aus dem Bereich der Consumer-Produkte nachzukommen, bei denen überwiegend kleinere und mittlerweile gängigere SMD-Bauformen, wie z.B. 3.2x2.5mm, aber gerade im Zuge der fortwährenden Miniaturisierung und dem Boom von Wearables auch noch kleinere Bauformen, eingesetzt werden. Mit den kleineren Gehäusen lässt sich mehr Output generieren und die großen Bauformen sind schlichtweg nicht mehr gewinnbringend genug und „blockieren“ die Produktionslinien. Seit einiger Zeit schon ist absehbar, dass die größeren Gehäuse so langsam vom Markt verschwinden und es zu einer wahren Abkündigungswelle dieser Produktlinien kommen wird, da sie nicht mehr in ausreichender Stückzahl produziert und geliefert werden können.

Um die Bauteilversorgung auch weiterhin sicherzustellen und Produktionsstillstände zu vermeiden, bedeutet dies für viele bestehende Anwendungen, bei denen noch größere Quarze zum Einsatz kommen, ein Re-Design auf kleinere gut verfügbare Bauformen. Auch für neue Designs geht die Empfehlung, sowohl bei Quarzen als auch Oszillatoren, ausdrücklich zu den mittlerweile stark nachgefragten Highrunnern in den kleineren Bauformen ab 3.2x2.5mm und noch kleiner.

Aus technischer Sicht gilt bei der Verwendung kleinerer Quarzbauformen zu bedenken, dass sich mit der Baugröße auch die Spezifikationen des Schwingquarzes teils signifikant ändern. So können sich beispielsweise der allgemein höhere ESR und der geringere Drive Level negativ auf die Funktion der Oszillatorschaltung auswirken und zu ungewünschten Komplikationen führen.

Zunächst einmal muss bedacht werden, dass der verfügbare Frequenzbereich umso höher liegt, je kleiner und dünner der Schwingquarz ist. Die Beziehung zwischen der Stärke des Quarzrohling (Blank) und der Resonanzfrequenz ist beim Schwingquarz umgekehrt proportional, was bedeutet, dass die Frequenz zunimmt, je dünner der Blank wird. Im Umkehrschluss wird ein stärkerer Blank benötigt, wenn eine niedrigere Frequenz erreicht werden soll. Im Gegensatz zu ihren größeren und höheren Vorgängern sind die kleineren Gehäuse flacher, wodurch die Grenzen der Physik hier schneller erreicht sind. Beispielsweise sind Frequenzen unter 16.000MHz in der Bauform 2.0x1.6mm oder unter 24.000MHz in der Bauform 1.6x1.2mm aktuell schon rein physikalisch nicht möglich.

Ebenfalls darf nicht außer Acht gelassen werden, dass bei kleineren Schwingquarzen der ESR (Equivalent Series Resistance) höher ist und damit immanent das so genannte Anschwingverhalten eines Quarzes in der Schaltung beeinflusst wird. Maßgebend für den ESR-Wert, der als Dämpfung des Quarzes fungiert, sind in erster Linie die Frequenz, die Größe des Quarzblanks und der benötigten Elektroden sowie der Aufbau seiner Befestigung. Als allgemeine Regel kann man festhalten: Je kleiner der Quarzkristall und je niedriger seine Frequenz, desto höher sein ESR-Wert (auch Lastresonanzwiderstand RL genannt).

Ersatzschaltbild des Quarzes: Durch den Lastkondensator CL ergibt sich der Lastresonanzwiderstand RL = ESR.

Für die Auslegung einer stabilen Oszillatorschaltung ist der ESR-Wert einer der wesentlichen Eigenschaften, die es zu beachten gilt. Ebenso wie die benötigte Frequenz, wird auch der maximale ESR-Wert häufig vom eingesetzten Controller vorgegeben. Er wirkt sich wesentlich auf die Anschwingsicherheit (Circuit Margin) der Oszillatorschaltung aus, da er direkt in ihre Berechnung einfließt. Um ein sicheres Anschwingverhalten zu gewährleisten, muss dem Schwingquarz die ca. 5 bis 10-fache Energie zugeführt werden, welche er benötigt, um weiterhin wie gewünscht ein stabiles Signal zu erzeugen. Je größer dieser (Energie-) Wert, desto schneller schwingt der Quarz an. Daher ist gerade auch im Hinblick auf stromsparende Anwendungen zu bedenken, dass der Energieverbrauch der Oszillatorschaltung bei größerem Serienwiderstand höher ist.

Der negative Widerstand (-R) der Oszillatorschaltung kann durch Hinzufügen eines Potentiometers in Reihe mit dem Quarz gemessen werden (Abb. Oszillatorschaltung). Der Widerstand des Potentiometers wird dann so lange erhöht, bis der Quarz aufhört zu schwingen - dieser Widerstandswert markiert RADDmax der addiert mit dem maximalen ESR-Wert des Quarzes den negativen Widerstand ergibt.­­­

Pierce-Gate-Oszillatorschaltung mit Potentiometer (RADD)

Es ist zu erkennen, dass die Anschwingsicherheit der Oszillatorschaltung mit steigendem ESR-Wert geringer wird. Dies hat zur Folge, dass ein sicheres Anschwingen des Quarzes nicht mehr gewährleistet werden kann – ein häufiger, aber vermeidbarer Fehler, beim Einsatz kleinerer Quarzbauformen.

Am einfachsten lässt sich die Anschwingsicherheit verbessern, indem man die beiden Kondensatoren C1 und C2 kleiner auslegt. Dies führt dazu, dass der Widerstand RADD an dem Punkt, an dem die Schwingung aufhört, höher ist, was direkt zu einer Verbesserung des negativen Widerstands und damit zu einer höheren Anschwingsicherheit führt. Das ist auch der Grund dafür, dass kleinere Schwingquarze in der Regel mit niedrigeren Lastkapazitäten angeboten werden. Beim Re-Design sollte also auch bedacht werden, dass ein Austausch der Kondensatoren erforderlich ist.

Damit der Schwingquarz innerhalb der gewünschten Spezifikationen arbeitet, ist die Auswahl der richtigen Kondensatoren C1 und C2 und die Ermittlung der geeigneten Lastkapazität für die Oszillatorschaltung von höchster Bedeutung. Bei jeder Abweichung vom Soll, schwingt der Quarz nicht mehr auf der vorgesehenen Nennfrequenz, wodurch sich schnell Frequenzabweichungen von deutlich mehr als 100ppm ergeben können. Im schlimmsten Fall kann es durch Aufsummierung in der Toleranzkette dazu kommen, dass sich im Betrieb über den Arbeitstemperaturbereich (z.B. über -40~+85 °C) Quarz und MCU nicht mehr „verstehen“, was zum Ausfall der Schaltung führt.

Die Lastkapazität setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen und beinhaltet sowohl die an den beiden Anschlüssen des Schwingquarzes gegen Masse geschalteten Kondensatoren C1 und C2 als auch verschiedene, üblicherweise unter dem Namen Cstray (Stray Capacity) zusammengefasste, parasitäre Kapazitäten, wie beispielsweise Streukapazitäten der Leiterplatte sowie die Kapazität des Oszillator-ICs, an welchem der Schwingquarz angeschlossen ist.

Die Berechnungsformel für die richtige Lastkapazität.

Insbesondere bei der Verwendung von sehr niedrigen Frequenzen in kleinen Bauformen und des daraus resultierenden höheren ESR-Wertes kann es, wie oben beschrieben, zu Problemen in der Schaltung kommen. Es kann sich also in manchen Fällen anbieten, anstatt des Schwingquarzes einen fertigen Quarzoszillator zu verwenden. Dieser vereint sämtliche Komponenten einer Oszillatorschaltung in einem kompakten Gehäuse und bietet damit eine werksseitig optimal abgestimmte Komplettlösung, inklusive einer garantierten Anschwingsicherheit.

Auch kann es durchaus sinnvoll sein, die Schaltung vor Finalisierung einem sogenannten „Matching-Test“ zu unterziehen. Dabei werden alle Verhältnisse der Schaltung gemessen und gegebenenfalls gleich Korrekturvorschläge hinsichtlich Anpassung der Lastkapazität bzw. Änderungen der verwendeten Parallelkapazitäten C1 und C2 unterbreitet. Dadurch kann die Anschwingsicherheit und die Güte der Oszillatorschaltung optimiert und sichergestellt werden. Die meisten Hersteller bieten diese Dienstleistung in der Regel auch kostenlos für ihre Kunden an.

Nähere Informationen zum Aufbau der Oszillatorschaltung sowie wichtige Hinweise zur Spezifikation des benötigten Schwingquarzes lassen sich in der Regel in den Datenblättern der jeweiligen Mikrocontroller finden. Unterstützung bei der Auswahl des, sowohl wirtschaftlich als auch technisch gesehen, idealen Taktgebers für Ihr System, bieten die Spezialisten der WDI AG. Ob Neu-Design oder Re-Design – schon ab dem Design-In sind wir behilflich, zeigen baugleiche Alternativen und „Second Sources“ auf und empfehlen besonders gängige Bauformen und Spezifikationen. Von der Erstbemusterung und eventuell notwendigen Schaltungsanalyse, über die Prototypen- und Vorserienbelieferung bis hin zur klassischen Distributionsdienstleistung während der Serienfertigung. Mit unserem Quarzfinder bieten wir dem Anwender ein nützliches Online-Suchwerkzeug um ihn aktiv bei der Auswahl des für ihn richtigen Quarzes, Resonators, Oszillators oder Real-Time-Clock-Moduls zu unterstützen. Unter www.quarzfinder.de sind mehr als 1.000 Produkte inklusive der dazugehörigen Datenblätter zu finden. Auf einen Blick erhält der Interessent sämtliche bei WDI erhältlichen Frequenzgeber, aufgelistet nach Spezifikationen. Neben der Möglichkeit, nach vorhandenen Spezifikationen zu filtern, wird die Produktsuche zusätzlich durch die Recherchefunktion „Cross-Reference“ erleichtert. Anhand des Herstellers bzw. Anbieters oder der Produktserie werden alle bei WDI verfügbaren baugleichen Alternativen aufgezeigt.

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