Quarz vs. MEMS – Ein Leistungsvergleich jenseits der Marketingversprechen
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Präzision oder Kompromisse?

Quarz vs. MEMS – Ein Leistungsvergleich jenseits der Marketingversprechen

Die Wahl der richtigen Frequenzquelle ist in Hochfrequenzanwendungen von entscheidender Bedeutung. Ob in der Telekommunikation, Radar- oder Messtechnik – die Anforderungen an Oszillatoren sind hoch: Sie müssen extrem stabile, rauscharme Signale liefern und auch unter widrigen Bedingungen zuverlässig arbeiten. Dabei stehen zwei Technologien im Fokus: MEMS-Oszillatoren (Micro-Electro-Mechanical Systems) und klassische Quarzoszillatoren.

Seit ihrer Marktreife Anfang der 2000er Jahre wurde die MEMS-Technologie nur von wenigen Unternehmen produziert und weiterentwickelt. Nach mehreren Firmenübernahmen gibt es heute nur noch zwei echte Hersteller, wobei der Marktführer lediglich etwa 1 % des weltweiten Timing-Marktes ausmacht. Viele Oszillatoren-Hersteller und Distributoren bieten die Produkte dieser beiden Hersteller sortimentsergänzend unter eigenen Marken an.

Der Markt wird nach wie vor von bewährten Quarzoszillatoren dominiert – insbesondere in Anwendungen, die höchste Frequenzstabilität und minimales Phasenrauschen erfordern. Die vergleichsweise junge MEMS-Technologie hingegen versucht sich seit Jahren als Alternative zu etablieren. MEMS-Oszillatoren werden oft als „die Zukunft“ der Taktgebung angepriesen. Doch halten sie wirklich, was die Hersteller versprechen? Oder handelt es sich eher um eine Nischenlösung mit mehr Marketing als Substanz? Zeit für einen detaillierten Leistungsvergleich unter Praxisbedingungen.

Aufbau und Funktionsweise: Eine Frage der Komplexität

Quarzoszillatoren basieren auf Schwingquarzen, die eine hohe natürliche Resonanzfrequenz aufweisen. Ihre Schaltung ist vergleichsweise einfach und effizient. Der Quarz liefert eine stabile Frequenz, die nur geringfügig durch Temperaturschwankungen beeinflusst wird. Die geringe Komplexität führt zu hoher Zuverlässigkeit und niedriger Leistungsaufnahme.

Abb. 1: Aufbau eines quarzbasierten Oszillators.
Abb. 1: Aufbau eines quarzbasierten Oszillators.

MEMS-Oszillatoren setzen auf einen Silizium-Resonator, der jedoch von Natur aus größere Frequenzabweichungen aufweist. Um diese zu korrigieren, ist eine Phasenregelkreisschaltung (PLL) notwendig, die die Frequenz anpasst und stabilisiert. Diese zusätzliche Komplexität wirkt sich direkt auf den Energieverbrauch und das Frequenzverhalten aus.

Abb. 2: Aufbau eines MEMS-basierten Oszillators.
Abb. 2: Aufbau eines MEMS-basierten Oszillators.
Abb. 3: Der Aufbau beider Oszillatorschaltungen
Abb. 3: Der Aufbau beider Oszillatorschaltungen. Wie zu erkennen ist, sind Quarzoszillatoren hochwertige Taktreferenzen mit simpler Schaltung, wohingegen MEMS-Oszillatoren weitaus komplexer aufgebaut sind.

Technischer Vergleich: Hält MEMS, was es verspricht?

Um eine realistische Bewertung vorzunehmen, betrachten wir sieben zentrale Leistungsmerkmale, die für verschiedenste Elektronikanwendungen von entscheidender Bedeutung sind. Ob in Hochfrequenztechnik, Industrieautomatisierung, Medizintechnik oder IoT-Geräten – die Wahl der richtigen Frequenzquelle beeinflusst maßgeblich die Performance und Zuverlässigkeit elektronischer Systeme.

Leistungsaufnahme – Ein heimlicher Stromfresser?

MEMS-Oszillatoren werben mit Flexibilität, benötigen jedoch für ihre internen Regelkreise deutlich mehr Energie. Quarzbasierte Oszillatoren sind hier im Vorteil, da sie mit einer Grund- oder Oberschwingung arbeiten und eine einfachere Schaltungsstruktur aufweisen. Während die Grundschwingung eine besonders stabile natürliche Resonanzfrequenz liefert, ermöglichen Oberschwingungen höhere Frequenzen ohne zusätzliche Regelkreise.

Da MEMS-Oszillatoren keine natürlichen Grund- oder Oberschwingungen nutzen können, sind sie auf eine Phasenregelkreisschaltung (PLL) angewiesen, um die gewünschte Frequenz zu erzeugen. Dies führt zu einem höheren Stromverbrauch, mehr Jitter und einer größeren Frequenzdrift. Dadurch arbeiten Quarzoszillatoren besonders energieeffizient, während MEMS-basierte Oszillatoren auf eine komplexe Architektur mit zusätzlichen Schaltkreisen, insbesondere einer PLL und einem spannungsgesteuerten Oszillator (VCO), angewiesen sind, die den Gesamtstromverbrauch erheblich steigern.

Labormessungen zeigen, dass MEMS-Oszillatoren bis zu 6,09 mA bei 3,2 V verbrauchen, während Quarzoszillatoren mit nur 3,16 mA auskommen. Das bedeutet, dass MEMS-Oszillatoren fast doppelt so viel Strom benötigen, um vergleichbare Jitter- und Phasenrauschwerte zu erzielen. Gerade in batteriebetriebenen Anwendungen, bei denen jedes Mikroampere zählt, kann dieser Unterschied entscheidend sein.

Abb. 4: Vergleich des Stromverbrauches von MEMS- und Quarzoszillatoren bei 40 MHz.
Abb. 4: Vergleich des Stromverbrauches von MEMS- und Quarzoszillatoren bei 40 MHz.
Vol. (V)MEMS 40MHz (mA)OSC 40MHz (mA)
2.25.192.15
2.45.362.25
2.65.532.51
2.85.712.65
3.05.902.86
3.26.093.16
3.46.243.41
3.66.453.66
3.86.633.94
4.06.814.10

Start-Up-Verhalten – Schnelligkeit entscheidet

Beim Einschalten eines Oszillators ist entscheidend, wie schnell er eine stabile Frequenz erreicht. Quarzoszillatoren liefern unmittelbar nach Anlegen der Versorgungsspannung eine Frequenz mit einer Genauigkeit von 1 ppm. Im Gegensatz dazu benötigen MEMS-Oszillatoren eine Anlaufzeit, in der ihre interne PLL und der LVCO die Frequenz erst stabilisieren müssen. Während dieser Phase treten oft Frequenzschwankungen auf, sodass die Genauigkeit erst nach einer gewissen Verzögerung die angestrebten Werte erreicht.

Ein schnelles Startverhalten ist heute essenziell – sei es in der Konsumelektronik, Industrieautomation oder im militärischen Bereich. In batteriebetriebenen Anwendungen, etwa Wearables oder IoT-Geräten, ist eine zügige Aktivierung besonders wichtig, um Energie zu sparen und die Batterielaufzeit zu maximieren. Da Quarzoszillatoren praktisch sofort einsatzbereit sind, ermöglichen sie kürzere Aufwachzyklen und eine effizientere Nutzung der Energie.

MEMS-Oszillatoren hingegen benötigen mehr Zeit, bis sie eine stabile Frequenz liefern. Diese Verzögerung kann insbesondere in hochsensiblen Anwendungen, wie Kommunikations- oder Messsystemen, problematisch sein, da unerwünschte Frequenzabweichungen auftreten können. Daher bieten Quarzoszillatoren in vielen Anwendungen einen klaren Vorteil, wenn es um sofortige Stabilität und minimierte Einschwingzeiten geht.

Abb. 5: Vergleich der Start-Up-Charakteristik beider Oszillatoren bei 40 MHz.
Abb. 5: Vergleich der Start-Up-Charakteristik beider Oszillatoren bei 40 MHz.
Vol. (V)MEMS 40MHz (ppm)OSC 40MHz (ppm)
2.22.150.28
2.42.231.03
2.62.250.85
2.82.400.75
3.02.530.95
3.22.581.15
3.42.651.05
3.62.801.08
3.82.901.03
4.03.030.88

Jitter und Phasenrauschen – Präzision ist nicht verhandelbar

Jitter und Phasenrauschen sind entscheidende Faktoren für die Signalqualität in Hochfrequenz- und Kommunikationsanwendungen. Ein direkter Vergleich zeigt, dass MEMS-Oszillatoren hier deutlich schlechter abschneiden. Während ein typischer MEMS-Oszillator einen Jitter von 1,5 pS rms aufweist, kommt ein Quarzoszillator auf nur 0,18 pS rms – eine nahezu achtmal bessere Performance.

Auch das Phasenrauschen ist bei Quarzoszillatoren erheblich geringer. Gerade bei niedrigen Frequenzoffsets haben MEMS-Oszillatoren deutliche Nachteile, da ihr Silizium-Resonator eine schlechtere Güte aufweist als Quarzkristalle. Bei einem Offset von 10 Hz zeigt ein Quarzoszillator beispielsweise ein um 36 dB besseres Phasenrauschen als ein vergleichbarer MEMS-Oszillator. Dieser Unterschied ist besonders in drahtlosen Kommunikationssystemen kritisch, da ein erhöhtes Phasenrauschen zu Signalverzerrungen und erhöhten Bitfehlerraten führen kann.

 OffsetQuartzMEMSQuartz "Q"Power
110Hz-61.5175-25.13336dBdBc/Hz
2100Hz-101.3365-77.926823dBdBc/Hz
31kHz-134.5445-123.111911dBdBc/Hz
410kHz-154.5955-131.503323dBdBc/Hz
5100kHz-160.8985-132.508628dBdBc/Hz
61MHz-162.6733-141.99521dBdBc/Hz
75MHz-163.0239-152.188711dBdBc/Hz
810MHz-154.8769-154.87697dBdBc/Hz
920MHz-162.4631-150.844212dBdBc/Hz

Zusätzlich verursachen MEMS-Oszillatoren durch ihre PLL-Technologie störende Frequenzspitzen, die deterministischen Jitter erzeugen. Diese unerwünschten Frequenzkomponenten verschlechtern die Bitfehlerrate von Systemen und sind ein ernstzunehmender Nachteil für Anwendungen mit hohen Anforderungen an die Signalqualität. Quarzoszillatoren hingegen nutzen in vielen Fällen Grundton-Quarze, die diese störenden Effekte nicht aufweisen und dadurch eine saubere und stabile Frequenzreferenz bieten.

Abb. 6: Gemessene Jitter- und Phasenrauschwerte der verglichenen Oszillatoren (links Quarz, rechts MEMS).
Abb. 6: Gemessene Jitter- und Phasenrauschwerte der verglichenen Oszillatoren (links Quarz, rechts MEMS).

Frequenzstabilität – Konstante Frequenz oder unerwartete Sprünge?

Die Frequenzstabilität ist ein wesentlicher Faktor für die Zuverlässigkeit eines Oszillators, insbesondere in hochpräzisen Anwendungen. Ein stabiler Takt ist entscheidend für Kommunikationssysteme, Messtechnik und viele industrielle Anwendungen.

Quarzoszillatoren zeichnen sich durch einen konstanten Frequenzdrift von ±25 ppm über den Arbeitstemperaturbereich (-40 °C bis +85 °C) aus und liefern somit eine zuverlässige Taktquelle. MEMS-Oszillatoren hingegen weisen oft Frequenzsprünge auf, da ihre interne PLL kontinuierlich Korrekturen vornehmen muss, um Fertigungstoleranzen und Temperatureinflüsse auszugleichen. Labormessungen zeigen, dass MEMS-Oszillatoren Frequenzabweichungen von bis zu ±600 ppb aufweisen können, was für viele Anwendungen in der drahtlosen Kommunikation problematisch ist.

Abb. 7: Vergleich der Frequenzstabilität von Quarz- und MEMS-Oszillator
Abb. 7: Vergleich der Frequenzstabilität von Quarz- und MEMS-Oszillator

Frequenzverhalten über Temperatur – Wirklich stabil?

Die Temperaturabhängigkeit eines Oszillators beeinflusst maßgeblich seine langfristige Frequenzstabilität. Während quarzbasierte Oszillatoren einem charakteristischen, kontinuierlich kubischen Temperaturgang folgen, zeigen MEMS-Oszillatoren ein abweichendes Verhalten. Hier führen interne Korrekturmaßnahmen durch die PLL zu abrupten Frequenzsprüngen, sobald sich das Teilungsverhältnis zur Temperaturkompensation anpasst.

Obwohl MEMS-Hersteller oft eine verbesserte Temperaturkompensation anpreisen, zeigt die Praxis, dass die Frequenzabweichungen bei MEMS-Oszillatoren über den gesamten Temperaturbereich hinweg bis zu 3.750 ppm erreichen können. Im Vergleich dazu weisen quarzbasierte Oszillatoren einen wesentlich stabileren Temperaturgang auf und erreichen eine Genauigkeit von ±25 ppm über einen Temperaturbereich von -40 °C bis +85 °C – ein Wert, der für die meisten Anwendungen mehr als ausreichend ist.

Abb. 8: Frequenzstabilität eines quarzbasierten Oszillators über den Arbeitstemperaturbereich bei 40 MHz.
Abb. 8: Frequenzstabilität eines quarzbasierten Oszillators über den Arbeitstemperaturbereich bei 40 MHz.
Abb. 9: Frequenzstabilität eines MEMS-basierten Oszillators über den Arbeitstemperaturbereich bei 40 MHz.
Abb. 9: Frequenzstabilität eines MEMS-basierten Oszillators über den Arbeitstemperaturbereich bei 40 MHz.

In hochpräzisen Anwendungen wie Kommunikations- und Messsystemen kann ein solch sprunghaftes Frequenzverhalten problematisch sein. Da Quarzoszillatoren keine kontinuierlichen PLL-Anpassungen benötigen, bleiben sie insbesondere in Umgebungen mit starken Temperaturschwankungen die zuverlässigere Wahl.

Vibrationsempfindlichkeit – Marketing-Versprechen oder echter Vorteil?

MEMS-Oszillatoren werden häufig als besonders robust gegenüber Vibrationen und Erschütterungen beworben. Doch ein genauer Blick auf die technischen Daten zeigt, dass dieser Vorteil in der Praxis kaum ins Gewicht fällt. Während MEMS-Oszillatoren eine Vibrationsempfindlichkeit im Bereich von 0,01 ppb/g bis 1 ppb/g aufweisen, liegt diese bei Quarzoszillatoren zwischen 0,1 ppb/g und 1 ppb/g, was in den meisten Anwendungen keine spürbaren Auswirkungen hat.

Zudem haben Quarzoszillatoren im Laufe der Zeit erhebliche technologische Fortschritte gemacht. Verbesserte Quarzgeometrien und optimierte Fertigungsprozesse haben dazu geführt, dass moderne Quarzoszillatoren heute weniger anfällig für Vibrationen sind als frühere Generationen. Die oft zitierte Überlegenheit von MEMS-Oszillatoren in dieser Hinsicht erweist sich somit als eher theoretische als praktische Stärke, insbesondere wenn man bedenkt, dass viele Anwendungen bereits mit der bestehenden Quarztechnologie bestens bedient sind.

Zuverlässigkeit – Wie lange hält ein Oszillator wirklich?

MEMS-Oszillatoren werben mit einer beeindruckenden MTBF (Mean Time Between Failures) von 130.000 Jahren, während Quarzoszillatoren auf 30.000 Jahre spezifiziert sind. Klingt beeindruckend – aber wer baut Elektronik für die Ewigkeit?

In der Realität sind Produktlebenszyklen oft auf fünf bis zwanzig Jahre begrenzt. Selbst in langlebigen Anwendungen übersteigt eine MTBF von 30.000 Jahren den tatsächlichen Bedarf um ein Vielfaches. Ein Oszillator, der angeblich bis zum Ende der Menschheit hält, aber in der Praxis mehr Störungen aufweist, bringt wenig. MEMS punktet hier mit großen Zahlen, doch Quarz bleibt die zuverlässigere Wahl, wenn es um reale Anwendungen geht.

Fazit: Evolution oder Marketing?

Die Messwerte sprechen eine klare Sprache: MEMS-Oszillatoren können in bestimmten Nischen von Vorteil sein, bringen aber erhebliche Kompromisse mit sich. Sie verbrauchen mehr Strom, benötigen längere Startzeiten, haben schlechtere Jitter-Werte und leiden unter Frequenzsprüngen durch PLL-Regelungen. Wer auf präzise, stabile und bewährte Frequenzquellen setzt, fährt mit Quarzoszillatoren in den meisten Fällen nach wie vor besser.

Im Folgenden nochmal eine Übersicht des Vergleichstest:

 ParameterQuarzoszillatorMEMS-Oszillator
1Phasenjitter0.18pS1.5pS
2Stromverbrauch3.16mA6.09mA
3Anlaufzeit1.5mS200mS
4Frequenzstabilität5 ppm/°C or 25 ppm -40°C ~ +85°C30 ppm/°C or 3750 ppm -40°C ~ +85°C
5FrequenzverhaltenstabilFrequenzsprünge

Am Ende sind nicht astronomische MTBF-Werte oder theoretische Marketingversprechen entscheidend, sondern eine stabile Frequenz, minimales Phasenrauschen und geringer Jitter – genau dann, wenn es darauf ankommt. MEMS ist keine Revolution, sondern eine Ergänzung – aber definitiv kein Ersatz für den bewährten Quarz.

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