Quarze und Oszillatoren sind das unsichtbare Herz moderner Elektronik. Ohne stabile Zeitbasis würden Funkverbindungen abbrechen, Navigationssysteme die Orientierung verlieren und industrielle Steuerungen aus dem Takt geraten. Doch gerade dort, wo extreme Bedingungen herrschen, wird maximale Zuverlässigkeit gefordert: salzhaltige Seeluft in Offshore-Windparks, dauerhafte Vibrationen in militärischen Einsatzfahrzeugen oder die harten Temperaturwechsel und Strahlung im Orbit. In solchen Umgebungen reichen Standardlösungen nicht mehr aus – gefragt sind hochbelastbare Frequenzquellen.
Damit ein Taktgeber auch in rauen Umgebungen zuverlässig arbeitet, müssen Material, Quarzschnitt, Schaltungsprinzip und Gehäusetechnik präzise aufeinander abgestimmt sein. Entwicklerinnen und Entwickler bewegen sich dabei in einem Spannungsfeld: Einerseits soll die Frequenz über Jahre hinweg präzise bleiben, andererseits muss das Bauteil Schock, Vibration und Temperaturschwankungen schadlos überstehen.
Dieser Artikel zeigt, welche physikalischen Grundlagen dabei eine Rolle spielen, welche technologischen Ansätze sich bewährt haben und wie robuste Timinglösungen spezifiziert und qualifiziert werden können.
Einer der wichtigsten Einflussfaktoren auf die Stabilität von Quarzen ist die Temperatur. Jede Änderung der Kristalltemperatur führt zu einer Veränderung der Resonanzfrequenz. Entscheidend ist dabei der sogenannte Temperaturgang, der vom Schnittwinkel des Quarzes abhängt.
Für Anwendungen, bei denen die Temperatur nicht konstant gehalten werden kann, gibt es zwei grundsätzliche Lösungswege:
Welche Lösung im Einzelfall geeignet ist, hängt stets vom geforderten Frequenzverhalten im realen Einsatzumfeld ab – und davon, ob die Spezifikationen des Bauteils konsequent eingehalten werden können.
In rauen Anwendungen wie Industrie oder Verteidigung reicht es nicht aus, dass ein Oszillator „irgendwie noch schwingt“. Entscheidend ist, dass er die geforderten Parameter wie Frequenzstabilität, Stromverbrauch und Lebensdauer auch unter Belastung zuverlässig einhält – und genau das ist nur innerhalb der spezifizierten Betriebsbedingungen garantiert.
Wer Oszillatoren außerhalb ihres freigegebenen Temperatur- oder Versorgungsspannungsbereichs betreibt, riskiert deutliche Abweichungen, vorzeitige Alterung oder gar Ausfälle – mit direkten Auswirkungen auf die Funktion des Gesamtsystems.
Datenblattspezifikationen markieren nicht einfach theoretische Grenzen, sondern den vom Hersteller abgesicherten Funktionsbereich. Alles darüber hinaus ist nicht geprüft – und liegt im Risiko des Anwenders.
Neben der Temperaturbelastung zählen Schock- und Vibrationsfestigkeit zu den entscheidenden Faktoren für robustes Timing. Quarze sind mechanische Resonatoren und reagieren auf Beschleunigungen mit Frequenzänderungen. Diese sogenannte g-Empfindlichkeit wird typischerweise in ppb/g angegeben und beschreibt, wie stark die Resonanzfrequenz pro g-Beschleunigung abweicht. Werte im Bereich von 0,1 bis 2 ppb/g sind für Standard-Quarze üblich, während speziell optimierte Resonatoren auch unter 0,05 ppb/g erreichen können.
In der Praxis führen Vibrationen zu zusätzlichem Phasenrauschen und Jitter, während starke Schocks kurzzeitige Frequenzsprünge oder sogar dauerhafte Schäden am Resonator verursachen können. Besonders kritisch ist dies in Anwendungen wie Luft- und Raumfahrt, militärischen Fahrzeugen oder Bahn- und Energietechnik, wo kontinuierliche Vibrationen und plötzliche Stöße an der Tagesordnung sind.
Typische Qualifikationstests umfassen Vibrationsprüfungen nach IEC 60068-2-6 oder MIL-STD-202 Method 204 (Sinusvibration, z. B. 10…500 Hz bei bis zu 10 g Beschleunigung) sowie Schocktests nach IEC 60068-2-27 oder MIL-STD-202 Method 213 (z. B. Halbsinus-Schocks mit 100 g für 6 ms Dauer). In militärischen Anwendungen werden nach MIL-STD-810 häufig noch höhere Anforderungen gestellt, etwa 1.000 g Schockbelastung.
Die Robustheit lässt sich auf mehreren Ebenen erhöhen:
Die Wahl der passenden Maßnahmen hängt dabei stark vom Einsatzprofil ab – vom vibrationsarmen Laborsystem bis hin zu hochdynamischen Flugkörpern. Entscheidend ist, die Umgebungsbedingungen realistisch zu bewerten – und robuste Timinglösungen systematisch darauf auszulegen.
Auch Feuchtigkeit, Kondensation und aggressive Atmosphären können die Funktion von Quarzen und Oszillatoren erheblich beeinträchtigen. Dringt Feuchtigkeit in das Gehäuse ein, kann dies zu sprunghaften Frequenzänderungen („Feuchte-Dips“), erhöhter Alterung oder sogar zum Ausfall führen. Besonders kritisch sind Umgebungen mit dauerhaft hoher Luftfeuchtigkeit, zyklischen Temperaturwechseln oder salzhaltiger Atmosphäre – etwa in Offshore-Windkraftanlagen oder maritimen Anwendungen.
Um diesen Belastungen standzuhalten, kommen hermetisch dichte Gehäuse zum Einsatz. Metall- oder Keramikgehäuse mit Glas-Metall-Durchführungen verhindern das Eindringen von Feuchte zuverlässig. Zusätzlich sichern Dichtheitsprüfungen – typischerweise Helium-Lecktests mit Grenzwerten im Bereich von 1·10⁻⁸ mbar·l/s – ab, dass auch über lange Einsatzzeiträume kein Wasserdampf eindringen kann. In Normen wie IEC 60068-2-3 (Dauerfeuchteprüfung) oder IEC 60068-2-30 (zyklische Feuchte mit Kondensation) sind entsprechende Prüfprofile festgelegt. Typische Anforderungen sind dabei 40 °C und 93 % r. F. über 56 Tage. Während und nach diesen Tests darf die Frequenz nur geringfügig driften (z. B. <±5 ppm) und der Isolationswiderstand muss über 500 MΩ bleiben.
Weitere Schutzmaßnahmen sind Conformal Coatings oder spezielle Korrosionsschutzschichten, die das Gehäuse zusätzlich absichern. Diese müssen jedoch sorgfältig ausgelegt sein, da zusätzliche Schichten auch die thermischen Eigenschaften verändern und den Frequenzgang geringfügig beeinflussen können.
In Anwendungen der Raumfahrt oder in kerntechnischen Anlagen müssen Quarze und Oszillatoren ionisierender Strahlung standhalten. Ionisierende Strahlung kann Defekte im Kristallgitter erzeugen und damit zu Frequenzdrift oder erhöhter Dämpfung führen. Für solche Szenarien werden besonders gereinigte Quarze eingesetzt, die in einem Hochtemperaturprozess von verunreinigenden Ionen befreit wurden ("swept quartz"). Dadurch sinkt die Empfindlichkeit gegenüber Strahlung erheblich – je nach Schnitt und Prozess lassen sich typische Frequenzänderungen von mehreren ppm auf Werte < 1 ppm pro 100 krad reduzieren (z. B. 0,2 ppm/100 krad bei Ultra-Stable-Oszillatoren, wie sie in Satellitenkommunikation und Deep-Space-Missionen eingesetzt werden).
Zusätzlich müssen die umgebenden Schaltungen mit strahlungsfesten Halbleitern aufgebaut sein, damit nicht nur der Quarz, sondern auch die Oszillatorelektronik zuverlässig bleibt. Typische Qualifikationsprüfungen umfassen Total Ionizing Dose (TID) Tests mit Bestrahlung im Bereich von 100–300 krad sowie Protonen- und Neutronentests, um auch Displacement Damage zu erfassen. Diese Anforderungen sind u. a. in MIL-PRF-55310 für Quarzoszillatoren festgelegt, wobei die eigentlichen Prüfungen auf den gängigen MIL-STD-883-Methoden basieren.
Besonders anspruchsvoll sind die Temperaturwechsel im Orbit: Die Temperaturen von Satellitenoberflächen können typischerweise von etwa –120 °C im Erdschatten auf bis zu +120 °C in der Sonne schwanken. In Kombination mit Vakuumbedingungen erfordert dies eine extrem robuste Auslegung des gesamten Gehäuses und der Anschlüsse, damit keine Undichtigkeiten oder mechanischen Verspannungen entstehen. In der Praxis wird daher häufig gefordert, dass Oszillatoren Temperaturwechsel- bzw. Thermoschockzyklen nach MIL-STD-883 (Method 1010/1011) zwischen –55 °C und +125 °C überstehen; die zulässige Frequenzänderung (z. B. ≤ ±5 ppm) ist dabei projektspezifisch festgelegt.
Ein weiterer zentraler Aspekt für die Zuverlässigkeit ist die Alterung über die Lebensdauer. Quarze verändern im Laufe der Zeit ihre Resonanzfrequenz, meist durch Prozesse wie Rekristallisation, Adsorption von Verunreinigungen oder Spannungsrelaxation im Kristallgitter. Besonders stark ausgeprägt ist der sogenannte Erstjahreseffekt: In den ersten 12 Monaten kann die Frequenz typischerweise um ±1 bis ±3 ppm abweichen. Danach verlangsamt sich der Drift deutlich, auf Werte von etwa ±0,2 bis ±0,5 ppm pro Jahr.
Um diese Effekte zu minimieren, setzen Hersteller auf Verfahren wie das sogenannte Pre-Aging. Dabei werden die Quarze über einen definierten Zeitraum bei erhöhter Temperatur und im Oszillatorbetrieb „vorgealtert“. Dadurch stabilisiert sich das Material, und die späteren Driftwerte im Feld fallen geringer aus. Hochwertige Oszillatoren erreichen nach dieser Vorsorge eine Alterungsrate von deutlich unter ±0,1 ppm pro Jahr.
Für Anwendungen mit höchsten Anforderungen an die Langzeitstabilität – etwa in Telekommunikationsnetzen oder Satelliten – wird zusätzlich auf Kompensationsmechanismen gesetzt. Dazu gehören regelmäßige Kalibrierungen im System oder der Einsatz redundanter Oszillatoren, die gegeneinander abgeglichen werden können.
Die Robustheit von Quarzen und Oszillatoren lässt sich nicht allein am Datenblatt ablesen. Erst umfangreiche Prüf- und Qualifizierungsverfahren zeigen, ob ein Bauteil den Anforderungen im Zielumfeld standhält. Internationale Normen wie IEC 60068 oder militärische Standards wie MIL-STD-202, MIL-STD-810 und MIL-STD-883 definieren dazu detaillierte Testmethoden.
Zu den wichtigsten Prüfungen zählen:
Diese Prüfungen stellen sicher, dass die spezifizierte Leistungsfähigkeit nicht nur unter Idealbedingungen, sondern auch nach realistischen Umweltbelastungen gewährleistet ist.
Die unterschiedlichen Oszillatortypen unterscheiden sich nicht nur in Genauigkeit und Stabilität, sondern auch in ihrer Eignung für bestimmte Umgebungsbedingungen. Für Entwickler stellt sich daher die Frage: Welcher Ansatz passt am besten zu den Anforderungen meines Systems?
Die folgende Übersicht zeigt typische Kennwerte und Einsatzbereiche:
| Stabilität (Temp.) | Mechanische Robustheit | Strombedarf | Typische Anwendungen | |
|---|---|---|---|---|
| XO | ±20…50 ppm (–40…+85 °C) | Standard, mäßig schockfest | sehr gering | Consumer, IT, einfache Industrie |
| VCXO | ±20…50 ppm + Abstimmbereich | ähnlich XO, Robustheit abhängig vom Gehäuse | gering bis moderat | Kommunikation, PLL, Synchronisation |
| TCXO | ±0,1…2 ppm (–40…+85/125 °C) | kompakt, in Metall-SMD-Gehäusen, Schock bis >100 g | gering | Automotive, Mobilfunk, GPS, Industrie |
| OCXO | <±0,01…0,1 ppm (–40…+85 °C) | empfindlicher gegen Schock/Vibration, erfordert stoßdämpfende Montage | hoch (0,5–1,5 W) | Basisstationen, Messtechnik, Navigation |
| High-Rel | je nach Bauart: TCXO ±0,3 ppm, OCXO | hermetisch, vielfach >1000 g, Vibrationen 20–80 g | variabel, projektspezifisch | Raumfahrt, Verteidigung, Downhole, kritische Industrie |
Diese Matrix zeigt, dass robuste Lösungen nicht zwangsläufig die höchste Genauigkeit erfordern – maßgeblich ist, dass die Lösung optimal zum jeweiligen Einsatzbereich passt. In rauer Umgebung ist eine moderate Genauigkeit bei hoher Widerstandsfähigkeit oft zielführender als ein hochpräzises, aber empfindliches Bauteil.
Robustes Timing ist kein Zufall, sondern das Ergebnis bewusster Spezifikation und konsequenter Qualifizierung. Wer Temperatur, Schock, Feuchte, Strahlung und Alterung von Beginn an berücksichtigt und die passenden Prüfungen definiert, erhält eine Taktquelle, die auch unter Extrembedingungen zuverlässig arbeitet.
Für die Zukunft ist zu erwarten, dass neue Quarztechnologien, verbesserte Gehäusetechniken und digitale Kompensationsverfahren die Grenzen weiter verschieben. Gleichzeitig wächst der Bedarf an robusten Timinglösungen in Bereichen wie New Space, erneuerbaren Energien, vernetzter Mobilität und sicherheitskritischen Anwendungen im Verteidigungsbereich. Damit bleibt die Entwicklung leistungsfähiger Quarz- und Oszillatorsysteme ein Schlüsselfaktor für die Zuverlässigkeit moderner Elektronik.
Wer dabei auf die Unterstützung erfahrener Spezialisten setzt, spart Zeit, minimiert Risiken und gewinnt Sicherheit für seine Projekte. Als „The Design-In Company“ begleitet WDI Kunden seit vielen Jahren bei der Auswahl, Qualifizierung und Integration von frequenzbestimmenden Bauteilen. Mit technischer Expertise, umfassendem Design-In-Support und einem klaren Fokus auf Qualität stellen wir sicher, dass aus Anforderungen zuverlässige Lösungen werden – auch unter Extrembedingungen.
| Norm / Standard | Art | Prüfthema | Typische Bedingungen / Bemerkung |
|---|---|---|---|
| Temperatur & Klima | |||
| IEC 60068-2-14 | Testnorm | Temperaturwechsel | –55…+125 °C |
| IEC 60068-2-3 | Testnorm | Dauerfeuchte | 40 °C, 93 % r. F., 56 d |
| IEC 60068-2-30 | Testnorm | Feuchtewechsel | mit Kondensation |
| MIL-STD-883 M1010/1011 | Testnorm | Thermoschock | Zyklen –55…+125 °C |
| Mechanische Belastung | |||
| IEC 60068-2-6 | Testnorm | Vibration (Sinus) | 10…500 Hz, bis 10 g |
| IEC 60068-2-27 | Testnorm | Schock | 100 g, 6 ms (Halbsinus) |
| MIL-STD-202 M204 | Testnorm | Vibration | variable Frequenzen, Sinus |
| MIL-STD-202 M213 | Testnorm | Schock | Halbsinus / Sägezahnprofile |
| MIL-STD-810 | Testnorm | Mechanishce Belastungen | bis >1000 g |
| Strahlung & Raumfahrt | |||
| MIL-STD-883 M1019 | Testnorm | Strahlung (TID) | 100–300 krad |
| MIL-STD-883 M1017 | Testnorm | Neutronenbestrahlung | Displacement Damage |
| ASTM E595 | Testnorm | Outgassing (Vakuum) | Raumfahrtqualifikation |
| MIL-PRF-55310 | Produktspezifikation | Quarzoszillatoren | Umwelt-, Leistungsanforderungen, inkl. Burn-In |
| ESCC 3503 / 3504 | Produktspezifikation | ESA-Standards | Quarze und Oszillatoren für Raumfahrt |
| Langzeit & Zuverlässigkeit | |||
| MIL-PRF-55310 | Produktspezifikation | Quarzoszillatoren | Burn-In (240 h, hohe Temperatur) |
| MIL-PRF-3098 | Produktspezifikation | Quarze (Resonatoren) | Frequenz, Alterung, Schock, Vibration |
| Herstellerverfahren | Praxis | Pre-Aging | Stabilisierung vor Auslieferung |
Dieser Artikel ist in hf-praxis Ausgabe 10/2025 erschienen.
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