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Trends erkennen,
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Hintergründe verstehen

Trends erkennen

Seit Monaten erlebt die Elektronikbranche turbulente Zeiten. Kontinuierlich sehen sich Kunden mit schwankenden, teils extrem langen Lieferzeiten, unvorhergesehenen Abkündigungen und inflationären Preisentwicklungen konfrontiert. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen spielt die Corona-Pandemie, die die Welt nun seit Anfang 2020 in Atem hält, eine große Rolle. Wochenlange und wiederkehrende Lockdowns in Asien haben dazu geführt, dass Produktionen immer wieder stillstehen und im ersten Halbjahr dieses Jahres hat es wieder einmal viele, auch für die Elektronikbranchen bedeutende, Wirtschaftszentren wie Shanghai und Shenzhen erwischt. Dort sind erneut viele Stadtteile abgeriegelt worden, Arbeitskräfte durften nicht an ihre Arbeitsplätze, Produktionsstätten lagen wieder einmal brach. Und als wenn die Pandemie und ihre teils dramatischen Folgen nicht ausreicht, sorgen Stromzuteilungen, bedingt durch stark gestiegene Energiekosten in China oder Wasserzuteilungen, notwendig durch anhaltende Dürre in Taiwan, ein quergestellter Containerfrachter im Suezkanal oder aber der russische Angriffskrieg in Europa für weitere teils existenzbedrohende Zustände in der gesamten Branche. Wer in Anbetracht dieser Situation noch ruhig bleiben kann, muss schonungslos optimistisch sein oder sich eine gute Strategie ausgearbeitet haben, um die nächsten Monate, im schlimmsten Fall Jahre, unbeschadet zu umschiffen. Vor immer schwieriger werdenden Zeiten stehen diejenigen, die an eine schnelle Besserung der Situation glaubten, an alten Verhaltensmustern festhalten oder sich keinen krisensicheren Plan B ausgearbeitet haben.

Neben diesen ganzen unvorhergesehenen Unannehmlichkeiten, die allein schon zu nie dagewesenen Lieferengpässen geführt haben, sorgt der globale Digitalisierungstrend für eine beispiellos wachsende und nicht vorhergesehene Nachfrage nach elektronischen Komponenten. Insbesondere in der Automobilindustrie, der Elektromobilität oder für den Ausbau der 5G-Infrastruktur werden mehr und mehr Komponenten benötigt. Auch die notwendige Ausstattung der zahlreichen Homeoffice-Arbeitsplätze zu Coronazeiten und ein erhöhter Bedarf an Unterhaltungselektronik, haben für einen globalen Nachfrage-Boom gesorgt. Dabei sahen die Prognosen ursprünglich ganz anders aus, denn in den letzten Jahren war das Wachstum der Weltwirtschaft eher schleppend und viele asiatische Fabriken, ebenso wie ihre Lieferketten, liefen mit teilweise geringer Kapazität. Zusätzlich hatten viele Unternehmen infolge von Covid 19 ihre Produktionsprognosen für 2020 und darüber hinaus gesenkt, was natürlich einen Dominoeffekt in den globalen Lieferketten auslöste infolgedessen Produktionskapazitäten nochmals reduziert wurden. Diese nun wieder aufzubauen und an die widererwartend hohe Nachfrage anzupassen, stellt die Hersteller von elektronischen Bauelementen und ihre Lieferketten, gerade in Anbetracht der momentan schwierigen weltweiten Situation, vor massive Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt.

Abb. 1: Noch haben einige Hersteller die großen Bauformen in ihrem Lieferprogramm. Wie lange das noch so sein wird, ist allerdings nicht absehbar. Der Trend geht eindeutig zu kleineren Quarzbauformen.

Im Bereich der frequenzgebenden Bauteile waren und sind die Probleme sehr deutlich bei den sogenannten Uhrenquarzen mit 32.768kHz in der am häufigsten verwendeten SMD-Bauform 3.2x1.5mm zu beobachten, welche mittlerweile schon seit Ende 2020 auf Allokation sind. Größtes Problem sind hier die Gehäuse (Keramikboden und Metalldeckel), die von den wenigen Produzenten am Markt nicht in ausreichender Menge produziert werden können. Es ergeben sich hier teilweise immer noch Vorlaufzeiten von mehr als einem Jahr, Auftragsbücher mussten für neue Aufträge sogar vorübergehend geschlossen werden. Die Situation verbessert sich aktuell eher schleppend und die Regeneration wird durch unvorhersehbare Ereignisse immer wieder ausgebremst.

Schlimmer noch sieht es auch bei den Quarzen und Oszillatoren in den mittlerweile in die Jahre gekommenen größeren SMD-Bauformen 7.0x5.0mm, 6.0x3.5mm und 5.0x3.2mm aus. Teilweise sind sie komplett auf Allokation oder haben Lieferzeiten von mehr als 50 (in Worten: Fünfzig!) Wochen. Einige Hersteller haben alle Quarze und Oszillatoren in großen Bauformen gleich ganz abgekündigt. Hauptursache hierfür sind auch wieder die Gehäusezulieferer, die natürlich eine nicht zu unterschätzende Rolle in der Lieferkette spielen und derzeit bei maximaler Auslastung arbeiten, um die aus oben genannten Gründen entstandenen Produktionsausfälle der letzten Jahre wieder aufzuholen. Dabei sind sie aber vor allem daran interessiert, der starken Nachfrage aus dem Bereich der Consumer-Produkte nachzukommen, bei denen überwiegend kleinere und mittlerweile gängigere SMD-Bauformen, wie z.B. 3.2x2.5mm, aber gerade im Zuge der fortwährenden Miniaturisierung und dem Boom von Wearables auch noch kleinere Bauformen, eingesetzt werden. Mit den kleineren Gehäusen lässt sich mehr Output generieren und die großen Bauformen sind schlichtweg nicht mehr gewinnbringend genug und „blockieren“ die Produktionslinien. Es ist seit einiger Zeit schon absehbar, dass die größeren Gehäuse so langsam vom Markt verschwinden, oder besser gesagt verdrängt werden und es zu einer wahren Abkündigungswelle dieser Produktlinien kommen wird, da sie nicht mehr in ausreichender Stückzahl produziert und geliefert werden können. Dieser Trend zu immer kleineren Bauformen in allen Bereichen wird nicht abreißen, weswegen viele Quarz- und Oszillatorenhersteller, und vor allem diejenigen ohne wirklich eigene Fertigung (sog. Private Label), diese Serien bereits abgekündigt haben, oder sogar von heute auf morgen nicht mehr liefern konnten. Oftmals kann dann nicht einmal eine Last-Time-Buy-Option gewährt werden.

Bei den Oszillatoren kommt zu dem Problem der schlechten Verfügbarkeit der großen Gehäuse noch hinzu, dass die Hersteller der benötigten ICs die Produktion der Varianten mit 5V herunterfahren, bzw. diese schon gar nicht mehr produzieren. Auch hier ist die sinkende Nachfrage des Marktes ausschlaggebend. Die Oszillatorenhersteller, die überhaupt noch passende ICs von ihren Vorlieferanten geliefert bekommen, sind gegenwärtig schon dabei prognostizierte Bedarfszahlen für ein Last-Time-Buy anzufordern, um ihre Kunden noch eine gewisse Zeit mit 5V-Oszillatoren versorgen zu können, zumindest so lange bis diese auf eine andere Spannungsversorgung umgestellt haben.

Abb. 2: Durch eine Vielzahl sorgfältig ausgewählter Hersteller, kann die WD AG immer noch alle Bauformen, mit annehmbaren Lieferzeiten anbieten.

Um in diesen kuriosen Zeiten sicher durch die Krise zu kommen, heißt es für den Anwender mehr denn je, frühzeitig und vorausschauend zu planen und Trends zu erkennen. Es gilt, Bedarfe für laufende Projekte so früh und vor allem so weit im Voraus wie möglich zu kalkulieren bzw. zu disponieren. Anders können wertvolle Produktionskapazitäten und, noch wichtiger, die benötigten Rohmaterialien nicht gesichert werden und mögliche Materialengpässe sowie, im schlimmsten Falle, Produktionsstillstände, nicht mehr vermieden werden. Was das bedeutet, kann man sich ausmalen, bzw. ist schon live erfahr- und erkennbar, wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht.

Zukünftig gilt es, beim Ausarbeiten globaler Lieferketten unvorhersehbare Ereignisse wie wir sie seit Monaten immer wieder erleben genauso zu berücksichtigen, wie die allseits gefürchtete Obsoleszenz oder Allokation von elektronischen Bauteilen. Um Produktion und Lieferungen sicherer zu machen, muss mehr Sorgfalt schon auf den Aufbau breit aufgestellter Lieferantennetzwerke und die Auswahl zuverlässiger Handelspartner und Bezugsquellen gelegt werden. Lieferketten müssen solide, durchdacht und krisensicher aufgebaut werden und nicht nur nach ihrem Einsparpotenzial bewertet werden. Dabei ist es unabdingbar, so früh wie möglich mindestens eine „Second Source“ für ein Bauteil zu testen und freizugeben. Im Ernstfall kann dann bestenfalls auf eine oder mehrere unabhängig voneinander agierende und lokal voneinander getrennte, also „echte“ Second Sources, zurückgegriffen und ein möglicher Bandstillstand verhindert werden.

Für neue Designs geht die Empfehlung, sowohl bei Quarzen als auch Oszillatoren, ausdrücklich zu den mittlerweile stark nachgefragten kleineren Bauformen ab 3.2x2.5mm und noch kleiner. Erst kürzlich konnten hierfür die Produktionskapazitäten bei einigen Herstellern aus unserer sorgfältig zusammengestellten Linecard noch einmal deutlich ausgebaut werden, wodurch wir bei diesen Linien wieder Lieferzeiten realisieren können, die sich mit teilweise 8-12 Wochen wieder nahezu auf „Vor-Corona-Niveau“ bewegen. Um die Verfügbarkeit auch langfristig möglichst krisensicher zu gestalten, findet sich in unserem umfangreichen Portfolio auch gleich noch die geeignete technisch baugleiche Second Source.

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