Anschwingsicherheit von Quarzen
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Kleine Parameter, große Wirkung

Warum die Anschwingsicherheit von Quarzen über Batterielaufzeit und Systemzuverlässigkeit entscheidet

Wie viel Batterielaufzeit verschenken Sie gerade – ohne es zu merken? Die Ursache liegt meist nicht in komplexer Software oder zu kleinen Batterien, sondern in einem Detail, das oft übersehen wird: der Anschwingsicherheit des Quarzes. Schon Sekundenbruchteile längerer Startzeit summieren sich in der Praxis zu spürbaren Energieverlusten. Wer hier richtig auslegt, gewinnt Reichweite, Laufzeit – und die Sicherheit, dass Systeme jederzeit zuverlässig anlaufen.

In der Praxis zeigt sich: Unterschätzte Anschwingsicherheit führt nicht nur zu unnötig hohem Stromverbrauch, sondern auch zu verlängerten Startphasen bei Temperaturwechseln oder sogar zu Ausfällen im Feld. Gerade in Low-Power- und Langzeitanwendungen – etwa in IoT-Sensoren, Wearables oder Automotive-Systemen – zählt jedes Mikrowatt, und Zuverlässigkeit hat oberste Priorität.

Anschwingsicherheit – was wirklich zählt

Doch wie lässt sich Anschwingsicherheit überhaupt greifbar machen? Der zentrale Kennwert ist die Oscillation Allowance (OA), in der Praxis meist einfach Margin genannt. Sie beschreibt das Verhältnis zwischen dem negativen Widerstand der Oszillatorschaltung und dem effektiven Serienwiderstand (ESR) des Quarzes. Je größer die Margin, desto zuverlässiger startet der Quarz – selbst unter ungünstigen Bedingungen wie niedrigen Temperaturen oder bei Bauteiltoleranzen.

Damit ein Quarz sicher anschwingt, muss der Betrag des negativen Widerstands der Schaltung größer sein als der Serienwiderstand des Quarzes. Werte unter 5 gelten als kritisch, während Faktoren ab 10 – etwa in Automotive-Anwendungen – als robust angesehen werden.

Messungen mit 32,768-kHz-Uhrenquarzen verdeutlichen die Praxisrelevanz: Schwingquarze mit knapper Margin erreichten nur Werte um 6. Das führte nicht nur zu verlängerten Startzeiten, sondern auch zu einem um bis zu 40 % höheren Stromverbrauch. Optimierte Designs erzielten dagegen Margins deutlich über 20 – mit schnellerem Start, geringerem Energiebedarf und deutlich höherer Zuverlässigkeit. Gerade bei 32,768-kHz-Quarzen fällt dieser Effekt besonders ins Gewicht, da ihr hoher Resonanzwiderstand und die geringen Antriebsleistungen sie empfindlich gegenüber zu kleinen Margins machen.

Abb. 1
Abb. 1: Pierce-Gate-Oszillatorschaltung mit zuschaltbarem Potentiometer RADD zur Margin-Bestimmung: RADD wird in Serie zum Quarz schrittweise erhöht, bis die Schwingung abbricht. Aus RADD,max + ESR lässt sich der Betrag des negativen Widerstands abschätze

Einflussfaktoren – Stellschrauben für Entwickler

Ob ein Quarz zuverlässig anschwingt, hängt von mehreren Parametern ab. Besonders entscheidend sind:

  • Lastkapazität (CL): Kleine CL-Werte begünstigen einen schnellen Start und reduzieren die Stromaufnahme. Große CL-Werte verlängern dagegen die Startzeit und erhöhen den Energiebedarf. Messungen zeigen: Eine Verdopplung von CL von 3 pF auf 6 pF führte zu deutlich längeren Startzeiten und spürbar höherem Stromverbrauch.
Abb. 2: Formel und Beispiel zur Bestimmung der Lastkapazität in der Schaltung.
Abb. 2: Formel und Beispiel zur Bestimmung der Lastkapazität in der Schaltung.
  • Serienwiderstand (ESR): Ein niedriger ESR verbessert die Anschwingfähigkeit. Hohe ESR-Werte erschweren den Start und verlangen höhere Verstärkungsreserven der Schaltung. In Tests mit 32,768-kHz-Quarzen hatten Varianten mit höherem ESR nicht nur längere Startphasen, sondern auch bis zu 40 % höheren Strombedarf.
  • Verstärkungsreserve des ICs (gm): Reicht die Treiberstufe nicht aus, kann der Quarz trotz theoretisch passender Spezifikationen unzuverlässig starten.
  • Layout und parasitäre Kapazitäten: Unsymmetrien oder unerwartet hohe Kapazitäten verschieben die effektive CL und können die Margin deutlich verringern.

Gerade bei Ultra-Low-Power-MCUs sind diese Faktoren kritisch: Schon kleine Abweichungen bei CL oder ESR können den Unterschied ausmachen – zwischen einem stabilen Start und einem sporadischen Nicht-Anschwingen.

Batterielaufzeit – warum die Startzeit entscheidend ist

Warum ist die Startzeit so entscheidend für die Batterielaufzeit? Viele Systeme – etwa IoT-Sensoren oder Wearables – arbeiten im Energiesparmodus und wecken ihre RTCs regelmäßig auf. Jede einzelne Startphase kostet Energie. Verlängert sich der Start um einige Hundert Millisekunden, summiert sich das über Monate zu einem deutlich höheren Verbrauch.
Quarzparameter wie CL, ESR und die gm-Reserven des ICs wirken sich also direkt auf Stromaufnahme und Startverhalten aus. Eine ungünstige Kombination kann die Batterielaufzeit massiv verkürzen oder zu instabilem Verhalten führen. Umgekehrt ermöglichen optimierte Designs eine längere Laufzeit und höhere Zuverlässigkeit.

Beispiele aus der Praxis

  • Wearable: In Messungen verlängerte ein Quarz mit besserer Margin die Batterielaufzeit von rund 12 auf 18 Monate – ohne Änderungen an Batteriegröße oder Software.
  • Automotive: Bei niedrigen Temperaturen brauchten Quarze mit geringer Margin teils mehrere Sekunden länger zum Anschwingen. In sicherheitskritischen Systemen kann das im Extremfall zu Fehlfunktionen führen.
  • High-Frequency-Anwendungen: Bei 32-MHz-Kristallen zeigten optimierte Designs bis zu 37 % kürzere Startzeiten – bei praktisch gleichem Stromverbrauch.

Damit wird klar: Wer Batterielaufzeit maximieren und Zuverlässigkeit sichern will, muss die Anschwingsicherheit konsequent im Design berücksichtigen.

Messmethoden – Anschwingsicherheit prüfen

Wie lässt sich die Anschwingsicherheit im Labor überprüfen? Bewährt hat sich die Bestimmung der Oscillation Allowance über den sogenannten Serienwiderstandstest. Dabei wird ein definierter Vorwiderstand (R_add) in Serie zum Quarz geschaltet. Erhöht man diesen Widerstand so lange, bis der Quarz gerade nicht mehr anschwingt, lässt sich daraus der negative Widerstand der Schaltung ableiten. Das Verhältnis dieses Werts zum ESR des Quarzes ergibt die Margin.

Praktisch bedeutet das: Je größer die zusätzliche Widerstandsreserve, die ein Oszillator noch toleriert, desto robuster ist er im realen Betrieb. Werte von etwa 5 gelten als untere Grenze, Zielwerte von 10 oder mehr schaffen eine hohe Sicherheit – auch unter rauen Umgebungsbedingungen.

Neben diesem klassischen Verfahren kommen moderne Impedanzanalysatoren zum Einsatz. Sie ermöglichen eine detaillierte Analyse der Quarzparameter (R1, C1, L1, C0) und geben Rückschlüsse auf das Stabilitätsverhalten. In Normen wie IEC 60444 und IEC 60679 sind diese Messverfahren beschrieben und international standardisiert.

Abb. 3: Ersatzschaltbild des Schwingquarzes mit externer Lastkapazität CL. Die Impedanzanalyse bestimmt die Quarzparameter R1 (ESR), C1, L1 und C0.
Abb. 3: Ersatzschaltbild des Schwingquarzes mit externer Lastkapazität CL. Die Impedanzanalyse bestimmt die Quarzparameter R1 (ESR), C1, L1 und C0.

Ein weiterer praxisnaher Ansatz ist die Beobachtung der Startzeit: Längere Anlaufphasen deuten häufig auf eine zu knappe Margin hin. Besonders bei 32,768-kHz-Quarzen liefert der Vergleich von Startzeiten bei verschiedenen Temperaturen und Lastkapazitäten wertvolle Hinweise auf die Robustheit des Designs.

Allerdings sollte man sich nicht allein auf die Startzeit verlassen: Eine kurze Anlaufphase garantiert noch keine ausreichende Margin. Erst die Kombination aus Widerstandstest, Impedanzanalyse und Startzeit-Betrachtung vermittelt ein vollständiges Bild – und stellt sicher, dass das Design auch unter Temperatur- und Bauteiltoleranzen zuverlässig anschwingt.

PPM-Budget – Genauigkeit im Griff

Neben der Anschwingsicherheit spielt die Frequenzgenauigkeit eine zentrale Rolle für die Zuverlässigkeit eines Systems. Entwickler erstellen hierfür ein sogenanntes PPM-Budget – eine Gesamtbetrachtung aller Beiträge zur Frequenzabweichung. Dazu gehören:

  • Fertigungstoleranz des Quarzes (z. B. ±20 ppm bei 25 °C)
  • Temperaturdrift über den spezifizierten Arbeitstemperaturbereich
  • Alterung des Quarzes über die Betriebsdauer
  • Einfluss der Lastkapazität und parasitärer Kapazitäten
  • Beitrag des ICs, z. B. durch Eingangskapazitäten oder Verstärkungsreserven

Erst die Summe dieser Faktoren zeigt, wie weit die tatsächliche Frequenz im Betrieb vom Sollwert abweichen kann. In vielen Low-Power-Anwendungen – etwa bei RTCs oder Funkprotokollen – sind die Toleranzgrenzen eng gesteckt. Schon wenige ppm Abweichung können darüber entscheiden, ob Standards eingehalten werden oder eine Synchronisation im Funknetz zuverlässig funktioniert.

Abb. 4: Beispiel – Frequenzabweichung eines quarzbasierten 40-MHz-Oszillators über den Arbeitstemperaturbereich.
Abb. 4: Beispiel – Frequenzabweichung eines quarzbasierten 40-MHz-Oszillators über den Arbeitstemperaturbereich.

Praxisbeispiele

  • Bei Uhrenquarzen kann die Frequenzabweichung durch Temperaturdrift schnell über ±100 ppm erreichen, wenn nur Standardtoleranzen berücksichtigt werden. Ohne entsprechendes Budget wird das in RTC-Anwendungen zu deutlichen Gangabweichungen führen.
  • Messungen zeigten, dass die Wahl einer ungünstigen Lastkapazität Abweichungen von mehreren ppm verursachen kann – genug, um bei Funkprotokollen die zulässige Frequenzmaske zu verletzen.
  • Auch die Alterung darf nicht unterschätzt werden: Schon 3–5 ppm pro Jahr können sich über die Laufzeit zu Abweichungen addieren, die außerhalb der Spezifikation liegen.

Praktischer Tipp: Wer das PPM-Budget frühzeitig aufstellt und mit realen Messungen abgleicht, vermeidet spätere Überraschungen – und stellt sicher, dass das Gesamtsystem robust und langlebig arbeitet.

Beispiel für ein PPM-Budget

  • Fertigungstoleranz (25 °C): ±20 ppm
  • Temperaturdrift (–40…+85 °C): ±80 ppm
  • Alterung (5 Jahre, ca. 3 ppm/Jahr): ±15 ppm
  • Einfluss der Lastkapazität: ±5 ppm
  • Beitrag des ICs: ±3 ppm

Gesamtbudget: ±123 ppm
In der Praxis entspricht das bei einer RTC einer Gangabweichung von mehr als 10 Sekunden pro Tag. Bei Funkprotokollen kann eine solche Abweichung dazu führen, dass Standards nicht mehr eingehalten oder Synchronisationen im Netz verloren gehen.

5 Tipps für zuverlässige Oszillatorschaltungen

  1. Margin prüfen: Sicherheitsfaktor ≥5, in kritischen Anwendungen ≥10.
  2. CL realistisch wählen: symmetrisch dimensionieren und auf die tatsächliche Schaltung abstimmen.
  3. ESR niedrig halten: je kleiner der Serienwiderstand, desto sicherer das Anschwingen.
  4. Layout sauber halten: parasitäre Kapazitäten minimieren, symmetrische Leitungsführung einhalten.
  5. Praxis messen: Startzeiten und Margin unter verschiedenen Temperaturen und Lasten prüfen – nicht nur auf Datenblattwerte vertrauen.

Kleine Details, große Wirkung

Anschwingsicherheit ist kein theoretischer Wert, sondern entscheidet in der Praxis über Batterielaufzeit, Energieeffizienz und die Zuverlässigkeit ganzer Systeme. Wer nur auf Datenblattwerte vertraut, riskiert längere Startzeiten, höheren Stromverbrauch oder im Extremfall Ausfälle im Feld. Wer dagegen die Einflussfaktoren kennt, Messungen durchführt und ein sauberes PPM-Budget erstellt, legt die Grundlage für langlebige und stabile Produkte.

Gerade in Märkten wie IoT, Wearables oder Automotive zeigt sich, dass jedes Detail zählt. Ein umsichtiges Design der Oszillatorschaltung sichert nicht nur die Funktionalität, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit. Die gute Nachricht: Mit den richtigen Fragen und einem klaren Blick auf die entscheidenden Parameter lassen sich diese Herausforderungen meistern – und genau hier setzt die Unterstützung von WDI an.

Als Spezialdistributor für frequenzbestimmende Bauteile begleiten wir Entwickler bei der Auswahl geeigneter Quarze und Oszillatoren, bei Schaltungsanalysen, Second-Source-Konzepten sowie bei Fragen zu Normen und Langzeitverfügbarkeit. Unser Ziel ist es, Projekte von der Design-In-Phase bis zur Serienproduktion zu unterstützen – und so die Zuverlässigkeit und Effizienz unserer Kundenprodukte nachhaltig zu sichern.

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